Irgendwie verstehe ich nicht, wie dieses Wort seinen Weg in den Fußball gefunden hat. Wortwörtlich kann es doch wohl nicht gemeint sein oder?

Ich meine, ein Spieler sollte die Benutzung von Fingerspitzengefühl tunlichst unterlassen. Soweit mir bekannt untersagt das Fußball Regelwerk ausdrücklich das Spielen des Balls mit der Hand - da gehören die Fingerspitzen wohl dazu. 

Als Schiri benötige ich allenfalls die Fingerspitzen um die Gelbe oder Rote Karte aus der Tasche zu holen oder irgendetwas mit einem Schreibgerät auf meiner Spielnotizkarte zu notieren. Besonders viel Gefühl in den Fingerspitzen benötige ich dafür jedoch nicht. 

Vermutlich wird das Wort aber als Metapher benutzt ... lasst den Siggi mal nachdenken, wie das dann gemeint sein kann....

Was sagt denn Wikipedia so zum Begriff Metapher? "Das Hauptmerkmal einer Metapher ist die Ähnlichkeit vom wörtlich Gesagtem und dem übertragen gemeintem".

Damit kann der Siggi was anfangen, auch wenn er nicht Germanistik studiert hat. Ich brauche auch kein Medinzinstudium, um zu wissen, das die Nervenenden in den Fingerspitzen besonders feinfühlig sind und man dadurch mit den Fingern besonders filigrane Arbeiten durchführen kann wie zum Beispiel eine Uhr reparieren oder eine Herzoperation durchführen.

Fingerspitzengefühl zu haben bedeutet also irgendetwas besonders feinfühlig zu handhaben und besonders feine Einstellungen vorzunehmen. Im Alltag brauche ich also Fingerspitzengefühl um zum Beispiel den Dimmer unseres Wohnzimmerlichts zu drehen, damit ich die Wohnzimmerbeleuchtung besonders fein auf die Weihnachtliche Stimmung justiere.

Licht scheint also ein gutes Beispiel zu sein um hier weiter den Gedanken ihren Lauf zu lassen. Man kann es an und aus schalten - dafür braucht es kein Fingerspitzengefühlk, das geht auch mit dem Ellenbogen. Alternativ benutzt man den Dimmer. Dafür sollte man dann die Finger benutzen um mit Gefühl die richtige Lichtstimmung einzustellen.

Übertragen wir das mal auf den Schiedsrichteralltag und die Regeln, die ein Schiri so anwendet.

Ball im Tor oder nicht? Klar oder? Ein 'ein bischen Ball im Tor' gibt es genau so wenig wie 'ein bischen Schwanger'. Das gilt dann wohl auch für Ausball, Abseits oder ob es innerhalb oder außerhalb des 'Sechzehners' war. Ebenso gilt das für die Spielvorbereitung: Torsicherung (Tor kann kippen oder nicht), den Trikotfarben (sind unterscheidbar oder nicht), den Spielbericht (liegt -ausgedruckt- vor oder nicht), Schmuck (ist -regelwidrig- vorhanden oder nicht), Unterziekleidung (regelkonform oder nicht) Platzaufbau (korrekt oder nicht) und viele andere Dinge.

Irgendwie bisher kein Fingerspitzengefühl notwendig. Das sind alles recht digitale Entscheidungen, für die ich kein 'Fingerspitzengefühl' brauche. Entweder es ist so oder es ist nicht so. Also kann es dann nur regel konform oder regel widrig sein. Licht an oder aus aber kein Dimmer - also auch kein 'Fingerspitzengefühl'.

Bleiben also nur noch vielleicht die Ermessensentscheidungen eines Schiedsrichters bei denen 'Fingerspitzengefühl' zur Anwendung kommen könnte? 

Da sind wir dann bei Regel 12 (Fouls und unsportliches Verhalten). Aber auch da finde ich nichts was auf 'Fingerspitzengefühl' hindeuten könnte. Handspiel, Foulspiel, Meckern (Protestieren), 'Tätlichkeiten', 'Notbremse' und so weiter. Alles recht gut beschrieben.

Sicher habe ich als Schiri einen Ermessenspielraum und kann auch noch die 'Vorteilsregel' (in Regel 5 beschrieben) anwenden. Aber ich kann hier genau so wenig auf 'ein bischen Handspiel' oder auf '73,5 % Foulspiel' entscheiden, wie auf 22,7% Elfmeter'. Nicht einmal eine Orangene- Dunkelgelbe- oder Dunkelrote- Karte ist vorgesehen. Entweder es gibt eine Verwarnung, der Kollege geht früher Duschen oder er hat Glück gehabt und ich benutze meine Fingespitzen diesmal nicht um eine der Disziplinarkarten aus der Tasche zu ziehen..

Also auch wieder nur Licht an oder Licht aus und wieder nichts worauf die Metapher 'Fingerspitzengefühl' zutreffen könnte. Verdammt... also nochmal Wikipedia bemühen. 

Und da finde ich dann tatsächlich auch eine passende Erklärung: "weil ein existierendes Wort als anstößig gilt oder negativ bewertet wird und deshalb durch einen unverfänglicheren Ausdruck umschrieben werden soll. (z.B. Euphemismus)"

Das Wort Fingerspitzengefühl wird also als Euphemismus verwendet. Den letzten Teil kann ich mir jetzt denken:

Wenn man von einem Schiedsrichter verlangt, er möge 'Fingerspitzengefühl' zeigen, kann das nur ein Euphemismus dafür sein, das er die vorgegebenen Regeln brechen soll, weil sie einem nicht passen.

Der Satz von den Fingerspitzen ist die Floskel der Sünder, die sonst keine Argumente zu ihrer Verteidigung haben.

Denkt mal d´rüber nach und benutzt nächstes mal mehr 'Fingerspitzengefühl' bei eurer Wortwahl.

Euer Siggi