Als ich diesen Ausruf eines Spielers erstmalig hörte war ich ebenso überrascht wie irritiert. Habe ich da eben nicht genau genug hingesehen? - Soll ja vorkommen. Gerade wenn man seine ersten Spiele leitet und sich versucht auf alles Mögliche zu konzentrieren aber noch nicht herausgefunden hat wie man das alles unter einen Hut bekommt.

Gleich mehrfach hallte dieser Ruf bei meiner ersten Spielleitung über die Sportanlage, aber da ich zu diesem Zeitpunkt meiner Schiri Karriere -verständlicher Weise - auch noch andere Baustellen als die Richtigkeit von Einwürfen hatte, verdrängte ich dieses Problem erst einmal.

Zunächst dachte ich, das es sich hierbei um ein allgemeines Phänomen handelt, bei dem nahezu alle Schiri-Kollegen einfach entweder nicht genau genug hinsehen oder die Augen bei der Einwurf Ausführung etwas fester zudrücken wenn diese Spielfortsetzung mal wieder etwas schlampiger vorgetragen wird. 

Auf Dauer begann mich dieser Ausruf zu nerven. Hörte ich ihn doch nicht nur im Herrenfußball, sondern auch bei Jugendlichen ebenso häufig wie im Altliga Fußball gleich mehrfach in jedem Spiel. 

Selbst an jedem Vereinsheim Stammtisch gibt jedes Wochenende irgend jemand die Fußball Weisheit: "Die in der Bundesliga können ja auch keine Einwürfe, da sind sowieso fast alle falsch" zum Besten.

So beschloss ich, mich dann auch dieser Baustelle einmal anzunehmen.

Ein Blick ins Regelwerk hilft dann zunächst einmal für das Grundlagenwissen. So kompliziert erscheint ein Einwurf dabei gar nicht.


Regel 15 Einwurf Abs.1  Ausführung

Beim Einwurf muss der einwerfende Spieler:

  • stehen und das Gesicht dem Spielfeld zuwenden,  [Anm.: seit 01.07.2018 muss der Einwurf im Stehen ausgeführt werden]
  • mit einem Teil jedes Fußes die Seitenlinie oder den Boden außerhalb der Seitenlinie berühren,
  • den Ball mit beiden Händen von hinten über den Kopf am Ort einwerfen,

an dem der Ball das Spielfeld verlassen hat.

 

Zusatzinformationen aus den Lehr Anweisungen:

  • Es darf sich kein Hindernis zwischen dem „Einwerfer“ und dem Spielfeld befinden.
  • Die Genauigkeit beim Ort des Einwurfs ist im Sinne der schnellen Spielfortsetzung zu handhaben. Es ist darauf zu achten, das der Ort um so genauer zu sein hat je näher der Einwurf am gegnerischem Tor stattfindet. Darüber hinaus ist bei der Genauigkeit des Ortes auch die Spielsituation zu berücksichtigen. 

Einwürfe sehen manchmal recht merkwürdig aus, deren Ausführung ist aber trotzdem korrekt. 

Das war dann meine erste Feststellung als ich begann, mir die Einwürfe mal genauer anzusehen. Ich stellte aber auch einen Zusammenhang zwischen dem Ruf "Schiri! ... Falscher Einwurf!" und der gerade soeben beobachteten Ausführung dieser Spielfortsetzung fest.

Da hebt ein Fuß beim Einwurf ab. Entscheidend ist der Zeitpunkt, bei dem der Ball die Hände verlässt da müssen beide Füsse den Boden berühren. Nachdem der Ball die Hände verlassen hat, darf der Einwerfer auch gerne Samba tanzen. Es empfiehlt sich einfach mal genauer hinzusehen und auch mal Bewegungsabläufe zu studieren. Da hilft dann mal eine Anleihe beim Handball oder eine Bewegungsschulung bei der Leichtathletik. Gerade die Schiri Kollegen beim Handball erkenne Fußfehler oftmals nur anhand der Bewegungsabläufe im Körper. Bevor Ihr also das nächste mal in derartigen Situationen unqualifiziert "Falscher Einwurf" ruft, schaut Euch mal Zeitlupenstudien von Einwürfen an. Die moderne Technik und Youtube macht´s schließlich möglich das ohne großen Aufwand zu hause am PC zu machen. Ihr werdet genau so überrascht sein wie die Schirikollegen, die eine Fleißarbeit über Einwürfe erstellt haben.

Da ist der Kopf oder sogar der ganze Körper weit nach vorne gebeugt. Für Einwürfe gibt es keine Haltungsnoten wir spielen Fußball und sind nicht beim Bodenturnen. Entscheidend ist der Bewegungsablauf mit dem Ball, der hinter dem Kopf beginnt und nach vorne geht.

Da kommt der Ball unmittelbar vor dem Einwerfer auf. Obwohl das manchmal wie ein 'Fallen lassen' aussieht ist es eine 'Wurfbewegung'. Das Regelwerk schreibt keine Mindestweite vor und Haltungsnoten werden für die Wurfparabel des Balls ebenfalls nicht vergeben.

Da wird der Ball steil nach oben geworfen oder verlässt irgendwie schief die Hände. Entscheidend ist auch hier die Wurfbewegung, die insgesamt nach vorne gehen muss wobei das Gesicht dem Spielfeld zugewandt zu sein hat und beide Hände für den Einwurf benutzt werden.

Zusammenfassend kann man also sagen, das ein Einwurf nicht unbedingt schön aussehen muss um Korrekt zu sein. Gewiss, ein Einwurf der merkwürdig aussieht wird eher vom Schiri auch mal abgepfiffen. Er muss aber nicht unbedingt falsch sein.

Und wie sieht das nun in der Bundesliga aus?

Eine weitere Erkenntnis erhielt ich dann durch eine Fleißarbeit der Nachwuchs-Schirigruppe unseres Schiedsrichterkreises. Diese hatten die fixe Idee, mal dem Mythos falscher Einwürfe in der Bundesliga auf den Grund zu gehen.

Wir erinnern uns an die Stammtisch Weisheit "Die in der Bundesliga können ja auch keine Einwürfe, da sind sowieso fast alle falsch"?

Einen ganzen Sonnabend Vormittag saßen die jugendlichen Kollegen im Vereinsheim unseres Nachbarvereins und werteten unter fachkundiger Anleitung unseres Lehrwartes und unseres Nachwuchsleiters Einwürfe aus. Youtube und diverse legale sowie quasi legale Sportplatformen wurden auf den mitgebrachten Laptops und Tablets durchforstet und es wurden fleißig Strichlisten geführt. Es gab wohl kein Spiel der Bundesliga Hinrunde 2017/18 aus dem keine Einwurfszenen beurteilt wurden und mit Stolz präsentierten dann zwei Jugendliche das Ergebnis auf unserem nächsten Lehrabend.

"80% aller Einwürfe in der Bundesliga sind ...... NICHT falsch!" stand zur Überraschung aller Anwesenden auf der ersten Folie ihrer Präsentation. Über 300 Einwürfe haben die Jugendlichen analysiert und festgestellt, das die wenigsten Fehler dabei in der Ausführung selbst gemacht werden. Vielmehr wurde offenbar besonders gerne beim Ort des Einwurfs von den Spielern geschummelt. 

Das Ergebnis der Auswertung ist jedenfalls im Einleitungsbild zu diesem Blog-Beitrag zu sehen und bedarf wohl keines weiteren Kommentars.

Meine Erkenntniss: "Was soll dieses Rufen?" 

Ausgestattet mit diesem Wissen ging ich die Sache jetzt offensiver an. Wenn es die Situation zuließ fragte ich beim Zuruf "Schiri! ... Falscher Einwurf!" auch mal nach, was den Falsch wäre. Weder diese Frage noch die Frage wo denn beschrieben ist wie ein Einwurf auszusehen hat konnte mir der vorlaute Regelbesserwisser beantworten. Zugegeben: Der Einwurf sah dann zwar immer etwas merkwürdig aus, jedoch wurde der Ball jedes mal Regelkonform ins Spiel gebracht. 


Wir haben in der deutschen Gesellschaft zu viele Schiedsrichter und zu wenige Spieler.

[Lothar Späth, ehem Ministerpräsident von Baden-Württemberg]


Ich stellte also jedes mal fest, das zwar "Falscher Einwurf" gerufen wurde, aber derjenige selber nicht wusste wie ein Einwurf nach Regelwerk auszuführen ist. Nun muss ich also nur noch herausfinden welches Motiv hinter dem Ruf "Schiri! ... Falscher Einwurf!" steckt.

Auch wenn also dem 'Rufer' gänzlich Unbekannt ist wie ein Einwurf richtig auszuführen ist, hat er jedoch eines gelernt. Bei einem falsch ausgeführtem Einwurf erhält der Gegner Ballbesitz und führt den Einwurf aus.

Damit ergeben sich gleich mehrere Motive: Der 'Rufer' will dem Schiri mitteilen, das er nicht genau genug hingesehen hat, er will dem Schiri mitteilen das er falsch entschieden hat, er wirft dem Schiri mangelnde Regelkenntniss vor oder er will dem Schiri mitteilen, das er sowieso das Spiel besser leiten kann.

Soetwas nennt man aber Protestieren! Für Protestieren schreibt das Regelwerk (Spoileralarm: Regel 12) aber wieder genau vor, wie bei diesen Protesten gegen Schiedsrichterentscheidungen zu verfahren ist.

Soll ich jetzt auch noch anfangen wegen solch einem Kindergartenverhalten von Spielern Verwarnungen auszusprechen?

 

Euer Siggi 


Anmerkung der Redaktion:

Zur Herkunft der Daten für das oben stehende Diagramm hat der Siggi - aus Gründen der Dramaturgie - etwas geflunkert. Die Daten wurden uns freundlicher Weise von einem uns gut bekanntem Schiedsrichterkreis aus dem Südwesten der Bundesrepublik zur Verfügung gestellt.

Dort hat man uns die Verwendung der Daten gerne genehmigt, wenn wir auf die namentliche Nennung des Schiri-Kreises verzichten. Vielen Dank dafür.

Die Erhebung der Daten erfolgte jedoch tatsächlich aus dem Grund, einmal zu überprüfen wie genau es die Bundesliga Schiries mit der Einwurf-Ausführung nehmen. Bei Art und Umfang der Fleißarbeits-Datenerhebung ist der Siggi jedoch bei der Wahrheit geblieben.


Nachtrag 12.April 2021 

Selten wird ein Einwurf von den Medien einmal genauer untersucht. Um so mehr freut es den Siggi, nach gut zwei Jahren dieses Video als Anschauungsmaterial zur Verfügung zu stellen zu können.

Obwohl der rechte Fuß des Einwerfenden hier bei der Ausführung der Spielfortsetzung deutlich abhebt, ist im Standbild klar zu erkennen, das dieser zum Zeitpunkt als der Ball die Hände verlässt noch den Boden berührte. 


Wie die Realgeschwindigkeit täuschen kann. Die Zeitlupe mit Vergrößerungsglas zeigt, das beide Füße am Boden waren als der Ball die Hand verließ..


Meist zeigen derartige Videosequenzen auch noch andere mögliche Unregelmäßigkeiten. War der Ball hier tatsächlich vorher im Aus? Wegen der kurz darauf folgenden Torerzielung war auch dies Gegenstand der medialen Diskussion. Die Videobilder sind jedoch wegen der Parallaxe ungeeignet, dies mit Gewissheit aufzuklären.