Gedanken über die besondere Erwartungshaltung bei Freundschaftsspielen.

Nenne man es wie man es will: Die einen sagen Freundschaftsspiel, die anderen Vorbereitungs-, Testspiel oder haben sonst welchen Begriff dafür. Unter dem Strich ist es ein Spiel - oder vielleicht sogar ein hauseigenes Turnier - welches abseits des Pflicht- oder Pokal-Spielbetriebs durchgeführt wird.

Man spricht sich mit dem Gegner ab, sucht einen Termin, bei dem zeitlich alles passt, oft kennt man sich aus der Pflichspielserie, man tauscht sich lange Zeit bereits vor dem Spieltag aus und oftmals werden auch die Schiedsrichter zwar offiziell angesetzt aber über einen innoffiziellem Wege diesem Spiel "zugeteilt".

Eigentlich sollte ja alles in freundschaftlicher 'Atmo' ablaufen weil der Druck des Pflichspielbetriebs nicht auf die Emotionsdrüse drückt.

Man ist sich darüber einig wie gewechselt werden soll und wieviele Spieler zum Einsatz kommen und manchmal auch die ein oder andere "Sonderregel". Manchmal spricht man auch Spielsysteme ab damit der Gegner etwas bestimmtes üben kann und bis zum Anstoß läuft auch alles in entspannter und lässiger Athmosphäre.

Trotzdem stellt man sich als Schiedsrichter nach dem Spiel die Frage: Was ist hier eigentlich gerade passiert?

Es ist ein Freundschaftsspiel - da geht es doch um nichts.

  • War das nun tatsächlich ein Handspiel im Strafraum? Natürlich wird vom Schiri erwartet, das er die Regeln richtig umsetzt aber wen interessiert tatsächlich ein gegebener oder nicht gegebener Strafstoß bei einem Freundschaftsspiel.
  • War es Abseits oder nicht? Natürlich wird vom Schiri erwartet, das er die Regeln richtig umsetzt aber es ist ein Spiel zum Üben, da darf man auch mal was falsch machen ohne das es gleich alle ausflippen.
  • War der Ball nun knapp im Seitenaus oder nicht. Wollen die den wirklich Einwürfe üben?
  • Muss es bei der Notbremse in der 2. Minute tatsächlich "Rot" sein oder kann es auch sein das es nach meiner Wahrnehmung halt keine Notbremse war. Schließlich wollen die doch zu elft Spielen.
  • etc.

Mit diesen Beispielen möchte ich etwa nicht die Fußball Regeln beugen, sondern nur denn Sinn dafür schärfen, das bei Freundschaftsspielen oft nicht alles ganz so genau genommen wird, oder werden muss. Aber wir sind noch nicht am Ende.

  • Gehört auch die Textiltest-Dehnungsübung zum Testspiel. Lass den Spieler doch laufen wenn Du nicht mehr hinterherkommst.
  • Auch Grätschen will geübt sein - Zieh doch die Beine an wenn Du merkst das Du in den Spieler rutsch weil Du etwas übermotiviert warst.
  • Muss man Freunde anpöbeln, nur weil das Trikot ´ne andere Farbe hat?
  • Musst Du als Trainer den Schiri coachen oder sollte Deine Mannschaft im Vordergrund stehen.

Eigentlich sollte es bei solchen Spielen doch gar keinen Schiedsrichter brauchen. Es braucht doch auch keinen, wenn am Mittwoch Abend beim Training die Erste gegen die Zweite nochmal zum Trainingsabschluss ´ne halbe Stunde kickt.

Dennoch sind es gerade diese Spiele, die irgenwie eher aus dem Ruder laufen als am gleichem Ort das Punktspiel mit den gleichen Mannschaften.

Obwohl die Antwort dafür ziemlich deutlich auf der Hand liegt wird gerne verdrängt das es genau die Erwartungshaltung eines "FREUNDSCHAFTS"-Spiels dazu führt das es eben gerade nicht sehr FREUNDSCHFTLICH abläuft.

  • Vom Gegner wird erwartet, das er "nicht so hart einsteigt" wir brauchen ja alle noch unsere Knochen für den Saisonstart. Aber gerade diese Erwartungshaltung führt dazu, das jeder kleinste Kontakt sofort überbewertet wird.
  • Wenns dann doch mal dummerweise etwas mehr schmerzt wird erwartet, das man sich entschuldigt und gegenüber allen Spielbeteiligten signalisiert, das man gerade mal etwas übermotiviert war und es nicht wieder vorkommt. Leider geraten aber hier meist die beiden üblichen Testosteron-Kampfhähne aneinander denen die selbst die Grundlagen einer guten Kinderstube fehlen.
  • Vom Schiri wird erwartet, das er auch "mal ein Auge zudrückt". Leider können aber viele mit einer etwas großzügigeren Regelauslegung nicht umgehen und testen Grenzen aus, die hier oftmals etwas weiter gesteckt sich als im Pflichtspielbetrieb.
  • Eigentlich ist es doch egal ob der Spieler nun einen halben Meter im Abseits war oder nicht. Fakt ist doch, das der halbe Meter nichts daran ändert, das die 4er Kette mal wieder geschlafen hat. Es muss auch geübt werden, das es erst Abseits ist wenn der Schiri pfeifft. Warum wird dann der Schiri vom Trainer angebrüllt anstatt die verträumte Viererkette?
  • ......

Diese Liste lässt sich beliebig erweitern, und ohne den ein oder anderen Punkt genauer diskutieren zu wollen lässt sie sich wie folgt zusammenfassen:

Obwohl es NUR ein Freundschaftsspiel ist sind es die gleichen Typen von Menschen, die auf oder neben dem Feld stehen. Ziel ist es, das "Runde in´s Eckige" zu befördern und jeder hat seine ureigenste Art mit Frust, Erfolg und Misserfolg umzugehen.

Daran ändern leider auch keine schönen Worte vor dem Spiel etwas. Treffen zwei Testosteronjunkies aufeinander, dann knallts. Genau so wenig kann sich auch das HB-Männchen oder der Choleriker lange beherrschen.

Mehr oder weniger resignierend muss ich dann als Schiedsrichter feststellen:

Ein Spiel aus reiner Freundschaft gibt es nicht. Es ist und bleibt ein Wettkampf ums Runde bei dem 22 Kleinkinder austesten wie weit sie bei Mama und Papa gehen können.

Also bleibt mir nichts anders übrig, als die gleichen Maßstäbe in der Regelauslegung anzusetzen wie beim heiß umkämpften Lokalderby um den Aufstieg am letztem Spieltag.

 

Es grüsst Euch ein ernüchterter Siggi