In den Herbsferien schickt unser Verein wieder einige Schiedrichter Anwärter zum Lehrgang, darüber hinaus sind mir in den letzten Wochen immer mal wieder Differenzen zwischen unseren Jungschiries und unseren Trainern zu Ohren gekommen, die sich insbesondere "bei unseren Kleinen" zugetragen haben.
Dies vorausgesetzt wollten Stefan und ich uns mal selbst ein Bild machen, was bei uns auf der Anlage nun wirklich Dichtung und was Wahrheit ist und worauf wir beim Coaching unserer neuen Schiries dann ab Herbst besonders achten werden.
Eine Nebeninformation für die Schiri-Insider: Spiele Besetzungen -gerade im Jugendbereich- werden in den Landesverbänden sehr unterschiedlich gehandhabt. Bei uns im Schirikreis ist das jedenfalls so, das alle Spiele der E- und D-Junioren durch Vereins-interne Schiedsrichter zu leiten sind. Hier dürfen dann meist die Jungschiries ihre ersten Gehversuche machen. Es beschwert sich aber auch keiner darüber, wenn von den 'Alten Hasen' mal einer ins Horn stößt. Es wird sich halt nur gewundert.
Also haben Stefan und ich uns in den letzten beiden Wochen die E- und D-Jugendspiele geschnappt, die unter der Woche mit Anpfiff ab 18:00 Uhr stattfinden um uns einmal einen frischen Eindruck zu verschaffen.
Eines noch vorweg, bevor es in's Eingemachte geht:
Das die Spielleitung eines derartigen Spiels an sich nicht besonders anspruchsvoll ist brauche ich hier wohl nicht noch einmal besonders zu unterstreichen. Es ist mehr das gesamte Drumherum, worauf unsere Jungschiries oft nicht vorbereitet sind.
Die Spielvorbereitung:
Mit voller Absicht bin ich also ungewöhnlich früh für derartige Spiele (etwas mehr als eine Stunde vor Anpfiff) auf der Anlage. Rein in die Schiri-Kabine, komplett umgezogen, Pfeiffe und sonstige Utensilien eingesteckt und Trainingsjacke wieder über gezogen.
Also 'Anpfiffbereit' habe ich mich dann gemütlich und gut sichtbar vor das Platzwarthäuschen gesetzt und der Dinge geharrt, die da kommen mögen.
Die Erkenntnis, das heute ein 'Alter Hase' des Vereins die Spielleitung übernimmt, löste bei vielen Mannschaftsverantwortlichen operative Hektik aus. Ergebnis:
- Keine Märchenstunde mit Spielberichten oder Pässen,
- perfekt gesicherte Tore (selbst die sonst angeblich im Verein nicht vorhandenen Torsicherungen wurden im Magazin gefunden) und
- vorschriftsmäßig aufgebaute Plätze.
- Trikotnummern stimmen mit dem Spielbericht überein
- Vor allem keine Diskussionen darüber was zu einer vorschriftsmäßigen Spielvorbereitung alles dazu gehört (Das Merkblatt welches auf der letzten Jugendsitzung vom Jugendleiter verteilt worden ist, wurde aus der Trainermappe gezogen und korrekt abgearbeitet)
- Achja, die Eltern werden von den Trainern schon vor dem Umkleiden der Kiddies darauf hingewiesen, das sie sich "hinter dem Geländer" aufzuhalten haben.
Nur ein einziger tanzte etwas aus der Reihe und wollte mir zu verstehen geben das ich doch etwas kleinlich "bei den Kleinen" wäre und mehr "Fingerspitzengefühl" zeigen müsse. Ergebnis:
- Hinweis von mir darauf, das er jetzt noch 15 Minuten zeit hätte alles in Ordnung zu bringen und mir einen Spielbericht vorzulegen, sonst fände das Spiel nicht statt.
- Trainer rennt zum Platzwart und beschwert sich: Anschiss vom Platzwart (der ist nämlich nicht zuständig)
- Trainer rennt zum Jugendwart und Beschwert sich: Anschiss vom Jugendwart
- Trainer kommt kleinlaut mit Spielbericht und Pässen zurück, Torsicherungen und Hütchen werden geschleppt.
Resumee Spielvorbereitung:
Die Mannschaftsverantwortlichen wissen genau was zur Spielvorbereitung gehört und wie dies umzusetzen ist. Bemerkenswert ist hierbei, das sie oft mit Jungschiries Stress anfangen, wenn diese auf mangelhafte Spielvorbereitung hinweisen. Tut das Not?
Unmittelbar vor dem Anstoß
Das übliche Sammeln am Spielfeldrand nutze ich nochmal für eine kleine Regelkunde "für die Kleinen", die auch laut genug ist damit die Trainer mithören können:
- "Betreten des Spielfeldes von Auswechselspielern gibt Gelb und direkten Freistoß" (ist nicht ganz richtig aber für die kleinen gilt hier KISS)
- "bei Auswechselungen erst auf das Spielfeld laufen wenn der andere Spieler vom Spielfeld ist sonst Gelb" (ist auch nicht ganz richtig aber KISS)
- "am besten einige Meter hinter der Linie ruhig hinsetzen, dann kann auch nichts passieren" (eigentlich eher ein indirekter Hinweis an die Trainer seine Spieler von der Seitenlinie fern zu halten. Funktioniert aber bei den Kiddies weil KISS)
Die Spielleitung:
Bemerkenswert ist hierbei wie lernfähig "die Kleinen" doch sind. Die Spielregeln im Sinne des "Fingerspitzengefühls" hier großzügig auszulegen ist offenbar der falsche Ansatz.
- Falscher Einwurf: Spätestens nachdem der Gegner zum zweiten Mal den Einwurf zugesprochen bekommt weil man ihn nicht richtig gemacht hat, können die Kiddies Einwürfe bei denen jeder Bundesligaspieler sich ne Scheibe von abschneiden kann.
- Foulspiel (mit den Beinen): Naja, so richtig foulspielen können die Kids eigentlich und glücklicher weise noch nicht. Das was hier passiert ist eher mangelndem Koordinationsvermögen zuzuschreiben. Dennoch: derartige, selbst unabsichtliche Kontaktvergehen nach Regelwerk ahnden. Wirkt wunder, die Kiddies lernen schnell und werden vorsichtiger.
- Foulspiel (mit den Armen): Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Drängeln und Stoßen, sowie auch Halten sind bei den Kids in Zweikämpfen die häufigsten Fouls. Aber auch hier ist zu beobachten, das diese im Laufe des Spiels bei konsequenter Regelanwendung deutlich weniger werden.
- Zu frühes betreten des Spielfeldes bei einer Auswechselung: Die erste Auffälligkeit wird nochmal zur Regelschulung verwendet: Spieler heranzitieren und in Hörweite der Trainer in nach seinem Vergehen befragen: In diesem Moment weis der Spieler sofort was falsch gelaufen ist und erwartet auch die Gelbe. "Ich bin dann mal nicht so streng mit Dir und es bleibt diesmal bei einer Ermahnung. Schließlich hat der Trainer Dich zu früh aufs Feld geschickt," verfehlt seine Wirkung nicht wenn es laut genug passiert das jeder mithören kann. Spieler warten spätestens ab jetzt artig hinter der Linie und Trainer achten peinlich genau auf korrekte Auswechselungen.
- Die erste Gelbe Karte im Leben: Auch die Zwerge erlauben sich Dinge, die wir "bei den Großen" ahnden. Geschwindigkeit und Koordinationsvermögen der Kiddies täuschen und lassen diese Vergehen meist harmloser erscheinen als "bei den Großen". Also auch hier mal konsequent die Verwarnung (Achtung Gelbe Karte Jugendregel beschten) aussprechen. Gute Erfahrung habe ich hierbei mit folgendem Verfahren gemacht: Spieler und Spielführer heranzitieren. Dem Spieler sagen, das er jetzt eine Gelbe Karte wegen einem Vergehen bekommen hat (unbedingt sagen welches Vergehen) und den Spielführer auffordern, dies seinem Trainer mitzuteilen. Artig rennt dieser dann quer über dem Platz und ruft seinem Trainer zu: "Der Andi hat grad ne Gelbe bekommen weil er am Trikot gehalten hat!" Da dies nun alle Mitbekommen, verfehlt auch es seine Wirkung nicht. Diese Verwarnung wirkt besonders pädagogisch auf die restlichen Spieler.
- Trainer bei ersten Anzeichen ruhig stellen. Wenn es bei solchen Spielen unruhig wird, kommt die meiste Unruhe von dort. Vor allem überträgt sich das Trainerverhalten auch auf die mitgereisten Eltern. Diesen "Machtkampf" zwischen Trainer und Schiri frühzeitig für sich entscheiden bringt Ruhe ins Spiel. Dabei sollen die mitgereisten Eltern genau mitbekommen, das der Trainer bei seiner nächsten Aktion mit einem Innenraumverweis rechen muss. Wirkt Wunder, denn dieser Peinlichkeit möchten sich viele Trainer gegenüber den Eltern ihrer Schützlinge nicht aussetzen.
- Abseits: Erst ab D-Jugend ist meist sehr einfach zu erkennen. Einerseits ist das Spielfeld nicht ganz so groß und man kann auch gut über die Spieler hinwegsehen. Andererseits resultiert das Abseits oft aus Unachtsamkeiten einzelner Spieler, die sich dann deutlich und lange in Abseitspositionen aufhalten. "Knappe Dinger" sind eher selten weil auch die Spielgeschwindigkeit geringer ist. Dennoch ist hier der Lerneffekt bei den Kiddies meist am geringsten.
- Der Rest: Wird wortwörtlich zu einem "Kinderspiel" Die Kiddies kicken, haben ihren Spaß und kommen nach dem Spiel (auch ohne Aufforderung des Trainers) zu Dir und bedanken sich mit ehrlichen Augen.
Resumee
Jugendspiele in diesem Altersbereich werden oft unterschätzt. Die Aussage vieler Schiri-Kollegen "Ich bin nicht dafür da die Regeln zu erklären" ist nur bedingt richtig. Natürlich macht am während des Spiels keine Regelschulungen. Bei konsequenter Regelanwendung zeigen die Kiddies ein Verhalten, welches darauf schließen lässt das sie bereits sehr gut mit den Regeln vertraut sind. Den Rest lernen sie in den ersten zehn Minuten dann "auf die harte Schule" in der Regelanwendung durch den Schiri.
Während des Spiels ist man als Schiedsrichter nicht nur Spielleiter, sondern auch ein wenig Pädagoge. Eine Leistung, die ich vor allem von einem Jungschiri bei seinen Ersten Spielleitungen nicht erwarten kann.
Das Verhalten von Mannschaftsverantworlichen vor dem Spiel zwischen Trainern und Jungschiries bewerten ich inzwischen als "Revierkampf" und "Einschüchterungsversuch".
- Mit dem "Platzhirsch" des 'Alten Hasen' vom Verein legt man sich nicht an weil man weis das dieser Schuss nach hinten los geht.
- Beim "Alpha-Männchen mit schwarzem Fell" aus einem anderem Verein wird zumindest mal angetestet wie weit man gehen kann.
- Dem "Jungtier" wird rigoros klar gemacht wer hier das "Alpha-Tier" ist.
Was soll das, liebe Mannschaftsverantwortliche und Trainer?
Auf dem Spielfeld werde ich unseren Jungschiries klar machen, das sie ein E-Jugendspiel genau so ernst nehmen sollen wie das Endspiel einer Fußball WM. Fingerspitzengefühl und pädagogisches Verhalten bekommt man nur durch Erfahrung. Erfahrung, die unsere Jungschiries einfach noch nicht haben können.
Also Regeln umsetzen und sich von Trainern und Mannschaftsverantwortlichen nicht belabern lassen!
Euer Siggi